Sportförderung: Sind die Segelflug-Sportsoldaten noch zu retten?

(Quelle: aero-kurier.de)

Sich ein Jahr lang nur auf den Sport konzentrieren, trainieren, Wettbewerbe fliegen, Wissen und Erfahrung aufbauen: Über mehr als 20 Jahre sind talentierte Piloten in diesen Genuss gekommen, weil sie eine der vier Stellen für Segelflieger bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr ergattern konnten. Und auch wenn sich die großen Erfolge nicht unmittelbar einstellten, so wurde in den elf Monaten zumeist der Grundstein für eine erfolgreiche Pilotenkarriere gelegt.

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Richtig glatt läuft es in der Sportförderung derzeit allerdings nicht. Frank Strewing, Co-Bundestrainer für die Sportsoldaten, hat sein Amt Ende 2023 niedergelegt, die Einstellungen für 2024 sind ausgesetzt. Darüber informierte René Brodmühler, Vorsitzender der Bundeskommission, auch auf der Mitgliederversammlung in Freudenstadt Anfang November. Auf der Folie dazu findet sich auch der Hinweis, dass die Bundeswehr ihre Förderkonzepte und -strukturen für nicht-olympische Sportarten überarbeitet hat und daher neue Ansätze gefragt sind. Liegt hier die Ursache für die Pause?

Tiefliegende Probleme

Frank Strewing sieht die Probleme viel tiefer liegen. Zwar stellt die Bundeswehr vier Dienstposten – heißt Gehalt, Verpflegung und medizinische Versorgung – zur Verfügung, die sportfachliche Hoheit allerdings liegt beim Spitzensportverband, in diesem Falle dem DAeC, vertreten durch die BuKo Segelflug. “Für das Jahr 2023 gab es im Bereich der nicht-olympischen Sportarten aufgrund von Verdrängungen zugunsten der World Games keine Dienstposten für Segelflieger mehr. Durch Verhandlungen mit der Spitzensportförderung erhielten wir aber vier Posten aus den Militärsportarten, sonst wäre bereits 2023 Schluss gewesen.” Daraus habe sich ein erhöhtes Augenmerk auf die Verbindlichkeit der bereits bestehenden Regeln wie beispielsweise Einhaltung der Pilotenvereinbarung, Dokumentation der Trainingsleistung und Kontinuität bezüglich der Dienstaufsicht ergeben, so Strewing. “Das kann man als ‚militärischer‘ auslegen als bisher, im Grunde ist es aber nur die Einforderung der seit Jahren bestehenden Papierlage.” Im Rückblick Strewings habe es insbesondere bezüglich der Dokumentation seitens der Sportsoldaten Defizite gegeben.

Ein weiterer Kritikpunkt, den der Co-Bundestrainer anbringt, ist die aus seiner Sicht vorherrschende Verantwortungsdiffusion im Trainerstab und in der Dienstaufsicht durch die Buko. Bundestrainer Wolfgang Beyer habe immer wieder grundsätzliche Änderungen in der Planung vorgenommen, teils ohne andere beteiligte Stellen darüber zu informieren. Auch Zielsetzungen und Vorgaben seitens des Bundestrainers habe es nicht gegeben. Dabei sei das Grundkonzept des Sposo-Trainings gemeinsam mit Beyer erarbeitet und über die Zeit durch Strewing und sein Team optimiert worden – auch, um mit den lediglich 3000 Euro Budget über elf Monate auszukommen.

Support des Fördervereins fehlt

Dazu komme, so Strewing, dass mit der Trennung von Co-Trainer Uli Gmelin zur Saison 2021 die Unterstützung durch den von ihm seit 1998 maßgeblich mit aufgebauten Verein zur Förderung der Leistungssportler in der Sportfördergruppe Segelflug und den Förderverein Achumer Störche faktisch weggefallen sei. “Aus diesem Verein kamen erhebliche finanzielle Mittel, ein Großteil der Trainer und die Möglichkeit, über die Achumer Störche zwei Arcus im Timeshare zu nutzen. So konnten die strukturellen Defizite in der Ausstattung des Sposo-Programms seitens der Buko weitgehend kompensiert werden.” Dieser Support habe seit Strewings Übernahme gefehlt.

Strewing und sein Team hätten mit viel persönlichem Einsatz aus den vorhandenen Mitteln mit Verzahnung der Bundeswehr-Flugsportvereinigung, der Bundeswehr und der Buko das Beste gemacht und das Training mehr auf zentrale Wettbewerbe denn auf freies Fliegen für die DMSt ausgerichtet. Auf die Grundausbildung in Hannover folgten ein Höhentraining in der Druckkammer und drei bis vier Wochen Alpenflug, dann ein gemeinsames Training mit dem C-Kader in Nitra. Nach einer weiteren Woche auf dem Flugplatz Burg Feuerstein gingen die Sportsoldaten allein auf zentrale Wettbewerbe, um ihre Fähigkeiten im Vergleich mit anderen auf die Probe zu stellen. Im Spätsommer schließlich folgte ein Fluglager in Puimoisson oder Vinon, bevor die Sposos in Kyritz noch einen Fluglehrerlehrgang absolvierten, um damit die C-Trainerlizenz zu erwerben.

“Insgesamt haben wir gute bis sehr gute Erfolge in den drei Jahren erzielen können, die Ressourcen besser verzahnt und die Rahmentrainingskonzeption umgesetzt”, sagt Strewing und merkt an, dass das alles im Nebenamt kaum durchzuhalten sei. Demgegenüber habe sich der Bundestrainer nur gelegentlich und wenig planbar eingebracht.

Die Buko argumentiert dagegen

Die Bundeskommission Segelflug will die Vorwürfe nicht unkommentiert stehenlassen. René Brodmühler, Vorsitzender der BuKo, sieht die Probleme eher im umfangreichen Anforderungskatalog der Bundeswehr für das Sportsoldaten-Programm, den der DAeC nicht vollumfänglich erfüllen könne. “24/7-Betreuung und eine finanzielle Ausstattung analog zu der, wie sie weit größere Sportverbände in das Sposo-Programm stecken, sind bei uns einfach nicht möglich. Und das ist auch nichts Neues. Man kann die Kosten freilich hochrechnen, wie man will – beim Sportsoldatenprogramm kommt man bei ehrlicher Kalkulation auf mehr als 100 000 Euro –, aber am Ende müssen wir mit dem klarkommen, was wir haben.” Bundestrainer Wolfgang Beyer ergänzt, dass es 20 Jahre lang im bestehenden finanziellen Rahmen funktioniert habe, Strewing nun aber auf eine exakte Einhaltung der Vereinbarung zwischen Bundeswehr und Spitzensportverbänden bestehe und das in einem Schreiben ans Streitkräfteamt auch eingefordert habe. Das wiederum habe schließlich dazu geführt, dass für 2024 keine Segelflieger als Sportsoldaten einberufen worden sind. “Frank hat damit nicht umgehen können, dass wir die Mittel, die er sich wünscht, nicht haben”, so Beyer.

Ein weiterer Kritikpunkt Beyers bezieht sich auf den Führungsstil des Co-Bundestrainers. “Er hat meiner Meinung nach ein falsches Verständnis des Vorgesetztenverhältnisses in der Causa Sportsoldaten. Der autoritäre Führungsstil kommt bei den Sposos nicht gut an, es geht eher darum, mit ihnen auf Augenhöhe zu agieren.” Zudem habe Strewing zu wenig Feedback gegeben, was die Unlust der Piloten erkläre, ihre “Progression Sheets” zeitnah beim Trainerstab einzureichen. Hört man sich im Kreise der Ex-Sportsoldaten um, scheint die Einschätzung Beyers nicht ganz aus der Luft gegriffen, auch wenn sich von den jungen Piloten niemand zitieren lassen will. “Frank mag formal in vielen Punkten Recht haben, aber am Ende geht es darum, ein gesundes Maß zu finden”, so Beyer.

Runder Tisch befürwortet

In der Conclusio räumt auch Brodmühler ein, dass viele Probleme, die im Laufe der Jahre unter der Oberfläche geblieben waren, durch Strewings Brief offen zutage getreten und auch der Bundeswehr bekannt geworden seien. “Es ist aber nicht auszuschließen, dass das ganze Konzept auch unabhängig von Franks Schreiben auf den Prüfstand gekommen wäre”, schließt der BuKo-Vorsitzende. Da die Bundeskommission allerdings überragendes Interesse daran habe, auch in Zukunft Segelflieger in die Sportfördergruppe der Bundeswehr zu entsenden, befürwortet Brodmühler einen runden Tisch mit allen Beteiligten. “Wir wissen, dass das Sposo-Programm den Grundstein für viele erfolgreiche Segelfliegerkarrieren gelegt hat. Deswegen wollen wir keine dreckige Wäsche in der Öffentlichkeit waschen, sondern überlegen, wie wir uns aufstellen, um die Anfor-derungen bestmöglich zu erfüllen. Und da wollen wir auch Frank Strewing im Boot haben, damit er seine Erfahrung aus den vergangenen drei Jahren einbringen kann.”

Auf die BuKo kommt damit einiges an Arbeit zu. So gilt es, einen neuen Co-Bundestrainer für die Sportsoldaten zu finden. Für den Posten sei jemand im Fokus, ein ehemaliger Sportsoldat, so Wolli Beyer. Konkreter will der Bundestrainer angesichts der aktuellen Situation mit ihren vielen Variablen aber noch nicht werden. Marcus Dawert und Arnaud Hefter, die bisher zu Strewings Team gehörten, würden weitermachen, heißt es. Zum anderen ist es notwendig, das Finanzierungskonzept zu überarbeiten und neue Geldquellen zu erschließen. “Ein Schritt dahin könnte sein, die DAeC-Fachbeiträge endlich wieder der BuKo zufließen zu lassen, was wir als Vorstand auch klar fordern”, so Brodmühler. Schließlich räumt er ein, dass man künftigen Bewerbern für die Sportfördergruppe vielleicht klarer kommunizieren müsse, was es bedeutet, Sportsoldat zu sein.

Der Blick von außen

Dass die BuKo vor einer riesigen Herausforderung steht, davon ist auch Jörg Zinnert überzeugt, der selbst einige Jahre stellvertretender BuKo-Vorsitzender war. Als Soldat im Ruhestand und ehemaliger Vorsitzender der Bundeswehr-Flugsportvereinigung kennt er das Spannungsfeld, in dem sich die

Spitzensportförderung bewegt – auch weil er die Bundeswehr seit 15 Jahren in Bezug auf ihre Engagements im Segelflug berät und viele Jahre die Internationale Militärsegelflugmeisterschaft organisiert hat. Für Zinnert liegt der Weg, der künftig gegangen werden muss, irgendwo in der Mitte. “Die Ansprüche, die Frank gestellt hat, sind vielleicht etwas zu hoch, damit ist die BuKo ganz einfach überfordert”, schätzt er die Situation ein. Auch sieht er die Sportsoldaten doch eher als Sportler denn als Soldaten, wozu Strewing eine etwas andere Position habe. Allerdings sei die Unverbindlichkeit eines Wolli Beyer vielleicht auch nicht gerade das, was in Zukunft in der Causa gefragt sei.

Neue Zeiten – neue Regeln

Perspektivisch könne sich die Bundeskommission Segelflug in jedem Fall nicht mehr auf das berufen, was mal war. “Die Historie zählt immer weniger. Früher hat man manche Dinge auf dem kurzen Dienstweg und über persönliche Kontakte geregelt. Diese Zeiten sind ganz einfach vorbei.” Dazu komme, dass der Konkurrenzkampf um militärische Sportförderung immer härter werde und die Verantwortlichen aufpassen müssten, dass die Randsportart Segelflug nicht unter die Räder gerate. Verglichen mit anderen Sportarten stehe der Segelflug nahezu blank da: Wenig Budget, ein Bundestrainer, der nur halbtags arbeite und Co-Bundestrainer, die das im Ehrenamt machen sollen, seien eher schlechte Voraussetzungen, um künftig im Wettbewerb um Förderplätze erfolgreich zu sein.

Gerade unter den oben skizzierten Bedingungen müsste die BuKo darauf achten, den Anforderungen der Spitzensportförderung durch die Bundeswehr bestmöglich gerecht zu werden. Das fange schon damit an, eigene Defizite anzuerkennen und die Sportler dabei zu unterstützen, Bewerbungen ein-zureichen, die den Mindestanforderungen gerecht würden.

Schließlich, so Zinnert, müsse man sich klarmachen, dass das Sportsoldaten-Programm im Bereich Segelflug keine Spitzensport-förderung im eigentlichen Sinne sei. “Wir betreiben Talenteförderung, denn in den elf bis 13 Monaten können die Piloten nur den Grundstein für alles Weitere legen.” Dass das Programm langfristig dennoch Spitzensportler hervorbringt, beweisen indes die Namen von Welt-, Europa- und Deutschen Meistern, die selbst einst in der Bundeswehruniform ihrem Sport nachgingen.

Der DAeC und die Buko Segelflug müssen begreifen, dass die Zeiten von “Weiter so!” und “Das haben wir schon immer so gemacht!” ein für allemal zu Ende sind. Gelingt der Schritt in die Gegenwart nicht, dürfte die wichtigste Säule der Segelflug-Sportförderung komplett wegbrechen.

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