
(Quelle: aero.de)
Ermüdungsrisiko
12:47 Uhr
BRÜSSEL – Sekundenschlaf im Cockpit, unzureichende Ruhemöglichkeiten – und Flugdienstzeiten “über das gesetzliche Maximum” hinaus: Eine aktuelle Umfrage des europäischen Pilotenverbands ECA zeichnet ein problematisches Bild zu Ermüdungsrisiken von Pilotinnen und Piloten in der europäischen Luftfahrt.
Mitgemacht haben fast 7.000 Pilotinnen und Piloten aus 31 Ländern in ganz Europa – eine Umfrage des Branchenverbands ECA wirft ein Schlaglicht auf latente Ermüdungsprobleme unter Piloten.
“Die Müdigkeit in den Cockpits hat den Ergebnissen zufolge bereits vor der sommerlichen Hochsaison zugenommen”, teilte der Berufsverband mit. “Drei von vier Piloten erlebten in den vier Wochen vor der Umfrage mindestens einen Sekundenschlaf während des Flugbetriebs – ein Viertel berichtet sogar von fünf oder mehr Sekundenschlafsituationen.”
Darüber hinaus berichten laut ECA 73 Prozent, “dass sie sich zwischen ihren Flugdiensten nicht ausreichend von Müdigkeit erholen konnten”.
“Sicherheitsrisiken durch Müdigkeit werden von vielen europäischen Fluggesellschaften nicht ausreichend ernst genommen”, sagte Vivianne Rehaag, bei der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit Vorständin Flight Safety. “Wir sehen ernsthafte Unzulänglichkeiten bei den Airlines für das Risikomanagement gegen Müdigkeit und Lücken bei der Überwachung durch die Aufsichtsbehörden.
Der ECA-Bericht zeigt laut Cockpit einen “besorgniserregenden Trend” bei der Verlängerung von Flugdienstzeiten. In Ausnahmesituationen kann der Kapitän per Kommandantenentscheid die maximal zulässige Dienstzeit der Crew an Bord verlängern, um besonderen Umständen wie zeitraubenden Umwegen aufgrund schlechten Wetters Rechnung zu tragen.
Fast jeder fünfte Pilot nutzte den Kommandantenentscheid (in der Fliegersprache: Commander’s Discretion, CD) innerhalb der vier Wochen vor der Umfrage zweimal oder öfter.
Regionale Unterschiede
“Nur 11 Prozent der Piloten gaben an, dass ihre Fluggesellschaft aufgrund von Müdigkeitsberichten betriebliche Änderungen zur Verbesserung der Sicherheit vorgenommen hat”, hält Cockpit fest. “Nur 12 Prozent gaben an, dass sie dem Meldesystem ihrer Fluggesellschaft vertrauen.”
Fluggesellschaften aus Malta, Spanien, Irland und dem Vereinigten Königreich schnitten in der Pilotenumfrage beim Müdigkeitsmanagement, beim Reporting, bei den Ruhezeiten und beim Umgang mit Kommandantenentscheiden besonders schlecht ab. “Nationale Behörden und auch die EASA sollten deshalb die Zustände in diesen Ländern genau untersuchen”, fordert Cockpit.
Der Bericht, der von dem Beratungsunternehmen Baines-Simmons im Auftrag des europäischen Pilotenverbands ECA erstellt wurde, erscheint zwei Monate, nachdem die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) vor dem Risiko einer erhöhten Müdigkeit des Flugpersonals während des Sommers gewarnt hat.
Dabei hatte die EASA Fluggesellschaften dazu aufgefordert, ausreichende Puffer einzuplanen und sich nicht darauf zu verlassen, dass ihre Piloten systematisch die maximale Flugdienstzeit verlängern.
“Die Ergebnisse des Berichts weisen jedoch auf eine andere Realität hin”, heißt es vom Cockpit. In der Hochsaison ab Juli dürften sich die Zustände “eher noch verschlechtert” haben.
© aero.de Abb.: Airbus