(Quelle: DHV)
Text und Bilder von Sylvia Frei
La Palmas gibt es viele. Gemeint ist die schöne Vulkaninsel La Palma, die zu den sieben Kanarischen Inseln nebst Gran Canaria und Teneriffa gehört. Schwarzer Sandstrand, Vulkanberge, Fliegen im Lee des Passats, eine Steilküste zum Soaren im Sonnenuntergang und das inseltypische Getränk Barraquito. Diese Bilder kommen den meisten Gleitschirmpiloten in den Sinn, wenn sie auf La Palma schon einmal einen Fliegerurlaub verbracht haben. 2021 erlangte die Insel mediales Aufsehen durch einen heftigen Vulkanausbruch. Seitdem hat sich das Leben vieler Palmeros, wie die Einheimischen dort genannt werden, radikal geändert. Für Gleitschirmpiloten gibt es Einschränkungen. Ob es noch zum Fliegen geht, ob man die heiße Vulkanthermik zum Streckenfliegen nutzen kann und ob sich ein Besuch mit dem Gleitschirm noch lohnt, wollten wir bei unserem letzten Urlaub herausfinden.
Wie eine Lawine aus flüssigem Stein hat sich der Vulkan drei Monate lang über die Westseite der Insel La Palma bis ins Meer gearbeitet. Als wir uns ein Jahr nach dem Ausbruch selbst ein Bild davon machen, steht eine Thermikwolke über dem Vulkanschlot, den ich mir angesichts der Zerstörung, die er hinterlassen hat, größer vorgestellt hatte. Rund 3000 Menschen haben ihr Zuhause verloren1345 Häuser sowie Schulen, Kirchen, Straßen und ein Großteil der Wasserversorgung wurde zerstört. 30 Meter dick liegt das Lavagestein darüber. Der schwarze Streifen, der sich von Inselmitte bis ins Meer zieht, ist steinhart und immer noch warm. Gase treten aus und durch das Lavagestein wurde eine Schotterpiste gefräst, die Nord- und Südinsel wieder miteinander verbindet.
Die Anfahrt vom Flughafen zu der fliegerisch besonders interessanten Westseite der Insel ist also wieder möglich. In den vergangenen Jahren steuerten wir immer den Fliegerspot Puerto Naos an. Hier traf sich die Szene an einem großen Landeplatz mit Tandembetrieb und Flugschule. An der Strandpromenade konnte man die Gleitschirme zusammenlegen, in geselliger Runde Landebier trinken und baden gehen. Doch nach dem Vulkanausbruch ist der ganze Urlaubsort auf unbestimmte Zeit gesperrt. Grund ist nicht die Lava, die rund zwei Kilometer weiter abging, sondern teils giftige Gase. Vor allem Kohlendioxid dringt noch immer aus unterirdischen Ritzen aus, welche vermutlich durch die Eruptionen in der Insel entstanden sind, und sammelt sich wie ein unsichtbarer Teppich zwischen den Häusergassen. Solange hier keine Lösung gefunden ist, man arbeitet bereits an Bohrungen, um das Gas abzuleiten, bleibt der Ort gesperrt. Ebenfalls gesperrt durch eine Luftraumbeschränkung ist der Startplatz „Kante“, der rund 250 Meter über Puerto Naos liegt und der früher oft für schnelle Abendrunden diente. Die Luftraumsperre verläuft weiträumig über dem Lavastrich. Wer hier also die sicherlich vorhandene Vulkanthermik nutzen möchte, wird enttäuscht. Ebenfalls darunter liegt der Startplatz El Gallo sowie das Fußballfeld in San. Nicolas, welches früher als Notlandeplatz diente.
Die gute Nachricht: Der auf 940 Meter gelegene Weststartplatz Los Campanarios, sowie auf dem Südlich ausgerichteten Startplatz etwas unterhalb kann weiterhin geflogen werden. Der Untergrund ist weicher Vulkansand und die Neigung ist perfekt zum Starten. Die Anfahrt erfolgt mit dem Auto, auf den letzten 150 hm zu Fuß oder gleich per Hike über ein ausgetrocknetes Bachbett, zwischen Gärten und Bananenplantagen hindurch. Auf unserem ersten Flug können wir direkt nach dem Start über den duftenden grünen Kiefernwäldern aufdrehen. Da Richtung Norden schnell die Luftraumsperre kommt, versuchen wir uns auf einem Streckenflug Richtung Süden. Von hier aus gibt es zwei Landemöglichkeiten, beide direkt am Wasser.
Die erste Landemöglichkeit ist südlich von Puerto Naos am Strand Charco Verde. Der Strand ist eingerahmt von steilen Felswänden und wird von Volleyballnetzen durchkreuzt. Außerdem Laufen hier Badegäste herum, die nicht mit Gleitschirmfliegern rechnen. Bei Westwind ist der Landeplatz in Ordnung, ein Windsack zeigt recht ehrlich die Richtung an und im Sand ist das Landen angenehm, wenn auch durch die vielen Hindernisse knifflig und klein.
Eine weitere Möglichkeit liegt zwei Kilometer weiter südlich an der Promenade von El Remo. Hier ist das Landen bei Süd- oder Nordwind besser geeignet, aber ebenfalls sehr anspruchsvoll. Gelandet wird auf einem Wall aus Lavafelsen, der als Wellenschutz dient, darauf verläuft ein Gehweg. Der Endanflug kann zwar relativ lang geflogen werden, endet aber in Hütten oder im Wasser und ist leicht abfallend. Die Landevolte verläuft über den tosenden Wellen und wenn mehrere Piloten gleichzeitig landen, ist Stress vorprogrammiert. Ahnungslose Spaziergänger werden zwar mit Schildern auf den Flugverkehr hingewiesen, sollten aber vorsichtshalber mit lautem Rufen vorgewarnt werden. Diese schlechte Landesituation auf der Westseite hat die Gleitschirmszene vor Ort völlig verändert. Auf seinem Blog www.idafe.com hält der Schweizer Fluglehrer Roger Frey über Luftraumbeschränkungen, Wetter und Vulkangeschehen auf dem Laufenden. Hier sind auch weitere Fluggebiete und Windstationen verlinkt. Roger lebt seit Jahrzehnten auf La Palma und hat dort eine Flugschule. Vor dem Vulkan bot er einen Guide-Service für Piloten an. Aufgrund der schwierigen Landebedingungen ist es ihm derzeit allerdings zu gefährlich, seine Arbeit weiterzuführen. Der Fluglehrer und Buchautor setzt sich weiterhin dafür ein, dass die Luftraumsperre verkleinert und auch der Landeplatz in Puerto Naos wieder geöffnet wird.
Wem die derzeitige Landesituation rund um Puerto Naos zu anspruchsvoll ist, findet weiter nördlich noch ein weiteres Fluggebiet. Der Startplatz Torre El Time auf 1100 m ist sogar mit Wiese bewachsen, was auf dieser Seite der Insel selten ist. Bei Westwind ist es ein schöner Startplatz, jedoch liegt er bei Sonnenschein im Lee der Thermik, die südlich davon aus den steilen Felswänden aufsteigt. Gelandet wird am frei angeströmten und breiten Sandstrand Tazacorte. Weitere Fluggebiete liegen im Osten und Süden der Insel und sind oft wolkenverhüllt oder zu windig. Bei passendem Wetter bieten sie aber einen ganz anderen Blick über die Insel, die im Osten viel grüner und lieblicher aussieht. An der trockenen rauen Südspitze gibt es noch eine kleine Soaringkante. Ein Vorteil der Fluggebiete auf der Ostseite ist die leichter zu beurteilende Windsituation. Kommt der Wind moderat von Ost oder Süd, fliegt man einfach im Luv. Meist ist jedoch der Ostwind/Passatwind so stark, dass es im Luv unfliegbar ist. Dann fliegt man also auf der Westseite im Lee, der bis zu 2400 Meter hohen Vulkanberge und unter einer Inversion, die meist durch eine dunkle Wolkendecke gekennzeichnet ist. Da diese Wettersituation sehr speziell ist, nutzten vor dem Vulkanausbruch viele Piloten den derzeit eingestellten Guide-Service von Roger. Nun ist das Fliegen nur für sehr erfahrenen La Palma Piloten oder zusammen mit Locals empfehlenswert. Windsituation und Meer müssen ständig beobachtet werden, um rechtzeitig zu erkennen, wenn die Fallwinde des Lees durchgreifen.
Fazit: Wir haben unseren Urlaub trotz Einschränkungen genossen. In zwei Wochen konnten wir immerhin an vier Tagen fliegen und nutzten die restliche Zeit für wunderschöne Wanderungen und zum Baden. La Palma ist eine sehr abwechslungsreiche Insel, die zu jeder Jahreszeit ihren Charme hat und auf der man auch im Winter noch im Atlantik baden gehen kann. Wer jedoch einen Gleitschirmurlaub mit vielen Flugtagen plant, ist in La Palma nicht richtig. Vor allem Anfänger oder Seltenflieger haben hier derzeit nichts zu suchen.
Solange Luftraum und Landeplatz in und um Puerto Naos gesperrt sind, befindet sich die Gleitschirminsel im Märchenschlaf. Es steht in den Sternen, wann die Insel daraus erwacht. Sobald dies aber der Fall ist, nimmt Roger Frey seine Tätigkeit als Inselguide wieder auf. Vielleicht wird La Palma mit seinen entspannten Soaringflügen im Sonnenuntergang und geselligem Landebier am Strand dann wieder zu dem Gleitschirmhotspot auf den Kanaren, wie er es in den vergangenen Jahren war.
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