Apfelkuchenflugzeugbau : Tiktok, Instagram und zwei Sling-Erbauer

(Quelle: aero-kurier.de)

Hase, sach mal …” Mit diesem Satz beginnt so ziemlich jedes Video auf dem Instagram-Kanal mit dem reichlich absurden Namen. Die sanfte Stimme, die auf diese markante Einleitung zumeist technische oder handwerkliche Fragen folgen lässt, ist die von Diana Drees, der Ehefrau von Dirk Drees. Gemeinsam mit seinem Vereinskameraden und Freund Thomas Gervens baut Dirk seit Februar 2022 eine südafrikanische Sling TSi aus einem Quickbuild-Kit. Nun ist ein Flugzeugbau-Projekt an sich noch nicht unbedingt einen aerokurier-Artikel wert. Es ist vielmehr Dianas großartige Öffentlichkeits-arbeit auf den Social-Media-Kanälen, die den Bau der Sling so spannend macht.

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Wenn Diana mit dem Handy im Anschlag und dem Satz “Hase, sach mal …” in der Vereinswerkstatt aufkreuzt, weiß Dirk, dass es ernst wird, denn er hat keine Ahnung, welche aus Pilotensicht mehr oder weniger absurde Frage jetzt kommt. “Das ist alles live. Dirk weiß vorher nie, mit was ich als Nächstes komme, sodass die Antworten immer spontan sind”, sagt Diana und fügt hinzu, dass sie einfach die Dinge fragt, die ihr selbst unklar sind. “Das ist mein Weg, mir ein Bild von dem zu machen, was die Jungs in der Werkstatt tun.”

Angefangen hat die ganze Geschichte mit zwei Piloten, die sich im Verein gefunden haben und Freunde wurden. Dirk stammt aus Coesfeld und verbrachte einen Teil seiner Jugend auf dem örtlichen Segelflugplatz. Der Wunsch nach einem Job im Cockpit wich einem Flugzeugbau-Studium in Aachen und der Fokussierung auf Kunststofftechnik – was ihn unter anderem zu Projekten für die A380 nach Hamburg brachte. Über berufliche Umwege gelang er nach Laupheim, wo er sich dem Bundeswehr-Luftsportring anschloss, um sich den seit Jahren gehegten Traum von der Motorfluglizenz zu erfüllen. “Vor meinem 50. Geburtstag wollte ich das erledigt haben”, sagt Dirk. Der BW-Luftsportring Laupheim reizte ihn, weil es der größere Club am Laupheimer Militärflugplatz ist, es ein reges Vereinsleben gibt und nicht zuletzt die Chance, hier auch die Do 27 zu fliegen. In Laupheim fiel ihm irgendwann ein Auto mit Coesfelder Kennzeichen auf. So kreuzten sich die Wege von Dirk und Thomas.

Zwei Jungs aus Coesfeld

Die beiden kommen ins Gespräch, stellen fest, dass auch Thomas aus Coesfeld stammt, sie in ihrer alten Heimat kurzzeitig sogar dieselbe Schule besucht haben und sich in ihrer Begeisterung für die Fliegerei nahestehen. Thomas wollte ursprünglich Pilot bei der Bundeswehr werden, war seinerzeit dafür aber zu jung. Über die Unteroffizierslaufbahn als Fluggerätmechaniker blieb er der Fliegerei treu, bewarb sich später als Transportflugzeugführer und wurde schließlich durch einen Bandscheibenvorfall aus der Laufbahn gekegelt. Einmal mehr disponierte er um und wurde militärischer Fluglotse für Radar und Tower. 2019 begann auch er mit der Ausbildung zum Motorflieger beim BW-Luftsportring.

“Die Begegnung mit Dirk war toll, weil wir ziemlich schnell gemerkt haben, dass wir ähnlich ticken. Wir kommen beide ursprünglich vom Modellflug, und da scheint die Lust am Bauen einfach dazuzugehören”, sagt Thomas. Jeder für sich trägt sich schon länger mit der Idee eines Eigenbaus, allerdings passen ihre Vorstellungen zunächst nicht zusammen. Dirk träumt von einer Vans, Thomas hingegen präferiert die Sling. “Ich hab im Laufe der Zeit einen Schnellhefter mit allen Informationen zur Sling zusammengestellt und Pros und Contras sehr genau abgewogen”, sagt Thomas. Am Ende ist es aber Dirk, der den Anstoß zur Sling gibt. “Er hatte Kontakt zum Importeur aufgenommen, und da hieß es, dass am 20. Dezember 2021 ein Container mit vier Bausätzen für die Sling TSi ankommt. Zwei davon seien noch zu haben. Er fragte, ob ich mir vorstellen könnte, dass wir zusammen eine bauen.” Im Januar 2022 fahren Dirk und Thomas nach Holland, um eine TSi Probe zu fliegen. “Danach sind wir eine Runde spazieren gegangen, um runterzukommen und eine Entscheidung zu treffen. Schließlich haben wir eingeschlagen und den Deal mit Schnittchen gefeiert”, sagt Dirk.

Die Frauen steigen mit ein

Für den Ingenieur ist die Finanzierung des Projekts keine allzu große Sache. Er hat Rücklagen, die eigentlich für den Hausbau gedacht waren, und bekommt im Rahmen eines Abfindungsprogramms Geld. Außerdem motiviert ihn seine Frau, in der Zeit seiner Freistellung das zu tun, was er unbedingt tun will. Als er sagt, er wolle ein Flugzeug bauen, gibt sie die Initialzündung: “Dann tu das doch!” Thomas hingegen hat weniger angespart. Er geht zur Bankerin seines Vertrauens, die seine ganze Familie seit etlichen Jahren betreut, schiebt ein Foto der Sling über den Schreibtisch und sagt, er wolle ein Flugzeug bauen und brauche einen Kredit. Den bekommt er tatsächlich. Doch auch er muss seinen Teil nicht allein finanzieren. “Meine Frau Iris hat gemutmaßt, dass ich irgendwann, wenn die Sling fertig ist, vor Lachen nicht in den Schlaf komme und sie dann auch ihren Teil vom Kuchen abhaben will.”

Ohne ihre Frauen, die ihnen den Rücken freihalten, sei das Projekt nicht möglich, da sind sich Dirk und Thomas einig. Zumal Thomas jüngst Vater geworden ist, was zusätzlich Tribut fordert. Dirks Jungs sind mit zehn bzw. zwölf Jahren bereits halbwegs flügge. Tatsächlich spielt beiden die Sling als Viersitzer in die Karten, denn Ausflüge mit der ganzen Familie werden so künftig möglich.

Im Februar 2022 fällt schließlich der Startschuss für den Bau, nachdem Dirk mit einem riesigen Anhänger die Kisten und den fertig montierten Rumpf nach Laupheim geholt hat. “Da legt man aber nicht gleich los, indem man Bleche zusammennietet, sondern damit, Schraube für Schraube die Teileliste mit der Lieferung abzugleichen.” Zudem muss die Werkstatt hegerichtet werden. Dafür mieten die beiden eine Ecke in der Halle der Vereinswerft an und kleben dutzende Tütchen mit Teilen übersichtlich an eine Wand. Die eigentlichen Bauarbeiten beginnen mit kleineren Teilen wie den Sitzen, die aus einzelnen Blechen zusammengenietet werden. Sukzessive leeren sich die Holzkisten mit der Aufschrift “Sling Aircraft”, während der Flieger Gestalt annimmt.

Zugang über TikTok-Clips

“Ich hatte erst überhaupt keinen Bezug zu dem, was in der Werkstatt passiert”, gibt Diana zu. Wenn man aber im Freundes- und Bekanntenkreis erzählt, dass der Göttergatte ein Flugzeug baut, erntet man vor allem verständnislose Blicke. Irgendwann hab ich dann mal das Handy mit in der Werkstatt gehabt und draufgehalten und das Video bei TikTok veröffentlicht. Und die Reaktionen waren unerwartet positiv. Also habe ich mehr gefilmt und hochgeladen.” Gut 9000 Follower haben den Kanal inzwischen abonniert, mehr als 180 000 Likes wurden vergeben. Bei Instagram sind es sogar 16 200 Follower. Der Name Apfelkuchenflugzeugbau entstand spontan, weil Diana einen Namen brauchte und Apfelkuchen das Einzige ist, was sie selbst “in annehmbarer Qualität” backen kann, wie sie sagt. “ApfelkuchenMitSahne”, wie sich Diana einst bei der App Quizduell nannte, schien ihr aber zu lang.

Inzwischen legendär in der Szene ist der Einleitungssatz “Sach mal, Hase, …”, dem dann eine Frage Dianas und eine mehr oder weniger ausführliche Antwort von Dirk folgen. Vielfach geht es um technische Dinge, beispielsweise warum der Motor nicht exakt gerade eingebaut wird, wie die Zulassung erfolgt und ob die Avionik das Teuerste am Flugzeug ist. Mitunter nimmt Diana ihren Mann aber auch auf die Schippe, fragt, ob man später im Flugzeug rauchen dürfe oder ob man jemals wieder an die Engine Control Unit drankommt, wenn denn alles mal fertig verbaut ist.

An Dirks Reaktion erkennt man dann schon, ob er in dem Moment gerne antwortet oder genervt von irgendetwas ist, das nicht so läuft, wie er es sich vorstellt. Beispielsweise, wenn eine stumpfe Schere das Zuschneiden von Glasfasergewebe unmöglich macht und Dirk das Werkzeug einfach in die Ecke werfen will, garniert mit finsterem Blick zu seiner filmenden Frau und den Worten “Lass es einfach!”. Hier ist nichts gescriptet und nichts gestellt. “Genervt bin ich von den Fragen eigentlich nur, wenn ich keine Antwort weiß”, gibt Dirk zu. Hin und wieder muss auch sein Kompagnon Thomas dran glauben und im Video mitspielen, wenn er vor die Linse gerät. “Is halt so”, kommentiert er achselzuckend und gibt zu, dass er TikTok eigentlich für eine ziemliche Volksverdummung hält und erst Angst hatte, sich seinen guten Namen zu ruinieren, den er sich mit dem YouTube-Kanal LifeLatitudes für CNC-Fräs- und Laserarbeiten gemacht hat. “So schlimm war‘s dann aber doch nicht.”

Erstflug Ende des Jahres

Als der aerokurier die Werkstatt besucht, sind die Tragflächen und das Leitwerk bereits strahlend weiß lackiert, ein Großteil der Kabel für das Instrumentenpanel verlegt. Der Rotax 915 iS sitzt fest am Motorträger und hat seinen ersten Testlauf schon hinter sich. Auch kleinere Rückschläge wie Service Bulletins oder lange Lieferzeiten bestimmter Teile haben den Elan der beiden Flugzeugbauer nicht getrübt. Den Erstflug planen sie für Dezember, so nichts Größeres dazwischenkommt.

Ist am Ende alles komplett, stehen rund 40 Stunden Flugerprobung an, bis die Sling das PH-Kennzeichen der niederländischen Luftfahrtbehörde bekommt. Dann allerdings haben die zwei Familien einen wirklich flotten Reiseflitzer: 140 bis 150 Knoten bei 27 Litern Verbrauch pro Stunde, 450 Kilogramm Zuladung und eine Ausstattung, die mit Garmin G3X, G5 und GFC-500-Autopiloten sowie COM/NAV-Suite kaum Wünsche offen lässt. Und dazu haben sie durch Dianas Videos eine treue Fangemeinde gewonnen, sodass sie auf jedem zweiten Flugplatz mit einem legendären Satz begrüßt werden dürften: “Hase, sach mal …”

Zwei coole Typen mit netten Mädels an ihrer Seite, die den Flugzeugbau für alle erlebbar machen. Ein toller Besuch, der nur dadurch getrübt wurde, dass aerokurier-Chefredakteur Lars Reinhold miterleben musste, wie ein FOD-Mülleimer den Motorsegler, mit dem er angereist war, hinterrücks angesprungen ist und eine Delle in der Tragfläche hinterlassen hat. Dumm gelaufen. Kommentar der Locals: “Da bist du nicht der erste, dem das passiert.”

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