(Quelle: fliegermagazin)
Ein kurzer Blick und vielleicht noch eine Streicheleinheit, viel mehr Aufmerksamkeit wird dem Propeller bei der Vorflugkontrolle nicht gewidmet. Dabei ist er als Frontman Wind und Wetter, Regen und Hagel und manchmal sogar aufgewirbelten Sandkörnern oder Kieselsteinchen ausgesetzt. Wir klären die Frage: Wie funktioniert ein Flugzeug-Propeller?
Läuft er erst einmal, ist er fast unsichtbar, und doch läuft ohne ihn nichts. Für alle Kolbentriebwerke liefert der Propeller den Kraftschluss zwischen dem Motor und dem Medium Luft, durch das er sich hindurchschraubt und so für das Flugzeug den Vortrieb bewirkt.
Den Flugzeug-Propeller unterschätzt man schnell und leicht
Im Ruhezustand stellt er sich so simpel und so schmucklos dar, dass man ihn leicht unterschätzt und fast glauben könnte, so etwas eigentlich auch selbst schnitzen zu können. Weit gefehlt: Ein Propeller ist ein High-Tech-Produkt, eine Meisterleistung aerodynamischer Berechnungen, computergesteuerter Formgebung und sauberster Fabrikation. Und er ist schon gar kein Griff am Flugzeug.
Lädiert: Solche Kerben können beim Metallpropeller weggefeilt werden – bis das Material seine Mindeststärke erreicht.
Schaut man ihn genauer an, erkennt man eine Form, die wie ein Flügelprofil wirkt. Das stimmt, denn ein Propeller erzeugt wie die Flügel Auftrieb – nur nach vorn, weswegen man von Vortrieb spricht. Das Profil verändert seine Form von innen nach außen, was einen einfachen Grund hat: Während ein Propeller sich mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit durch die Luft bewegt, ist die Geschwindigkeit, mit der das Profil von der Luft angeströmt wird, außen am Propeller viel höher als innen. Entsprechend muss sich der Einstellwinkel des Profils drastisch ändern.
Durch die Rotation treten Zentrifugalkräfte auf
Darüber hinaus ist bei der Berechnung des Profils zu berücksichtigen, dass durch die Rotation Zentrifugalkräfte auftreten, die die Luftteilchen der anliegenden Strömung nach außen schleudern. Dadurch wird die Grenzschicht zwischen dem Blatt und der frei strömenden Luftmasse dünner und dynamischer. Sie hält größeren Anstellwinkeln und somit höheren Kraftanforderungen stand, bevor sie abreißt. Die Effizienz eines Propellers ist der einer Tragfläche somit weit überlegen.
Im optimalen Geschwindigkeitsbereich eines feststehenden Propellers kann ein Wirkungsgrad von bis zu 90 Prozent erzielt werden, womit die Effektivität des Vortriebs deutlich über der eines Jet-Triebwerks liegt, das gerade einmal auf 25 Prozent kommt und deshalb sehr viel unwirtschaftlicher operiert als der Propeller. Dafür allerdings kann es die Luftmasse auf eine deutlich höhere Geschwindigkeit beschleunigen und außerdem strömungsgünstiger positioniert werden als Propellertriebwerke mit der großen Stirnwiderstandsfläche des dahinter oder davor liegenden Motors und den widerstandsproduzierenden Verwirbelungen an Rumpf und Leitwerk. Weil Elektromotoren so klein sind, liegt hier übrigens ein großes Potenzial zur Effizienzsteigerung bei solchen Flugzeugen.
Welches Material wird für einen Flugzeug-Propeller genutzt?
In der maximalen Geschwindigkeit liegen die Grenzen der Möglichkeiten eines propellergetriebenen Flugzeuges, genauer gesagt, in der maximalen Geschwindigkeit der Blattspitzen, die immer unterhalb der Schallgeschwindigkeit gehalten werden müssen. Das begrenzt die maximale Drehzahl und ebenso die Länge der Propellerblätter, kann allerdings durch Drei- oder gar Vierblattpropeller mit entsprechend kürzerer Blattlänge verbessert werden, die dann außerdem für eine entsprechend geringere Lärmentwicklung sorgen.
Das muss neu Bodenberührung hat einen Holzpropeller zerstört.
Welches Material wird bevorzugt? Inzwischen gibt es vier wichtige Varianten. Begonnen hat alles vor über 100 Jahren mit dem leicht zu bearbeitenden Naturprodukt Holz. Noch heute werden überall auf der Welt Luftschrauben aus diesem Material hergestellt, so auch in Deutschland bei der Firma Mühlbauer am Flugplatz Straubing an der Donau, die uns vor einiger Zeit Einblick in ihre Produktionsstätte gewährte.
Ein Holzpropeller ist nicht nur günstig, sondern er hat auch weitere Vorzüge
Ein Holzpropeller stellt nicht nur die kostengünstigste Variante dar, er weist auch sonst zahlreiche Vorzüge auf. So ist er um die Hälfte leichter als ein Metallprop, woraus ein geringeres Massenträgheitsmoment resultiert. Dies und die natürliche Dämpfung des Holzes führen zu einem ruhigeren Lauf. Blattspitzen-Ermüdungsbrüche, wie sie bei Metallpropellern vorkommen können, sind hier völlig unbekannt.
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Die Firma Mühlbauer verarbeitet Holz heute allerdings vor allem zu Composite-Propellern, also zu Luftschrauben, die einen Kern aus hochverdichtetem, leimgetränkten Holz haben und mit einer Kunststoffschicht überzogen sind. »Natural Composite« nennt Mühlbauer diese Propeller, bei denen der Holzkern die lasttragende Struktur ist.
Aerodux ist ein besonderer Zweikomponentenleim
Heimisches Eschenholz, bei Verstellpropellern zusätzlich Fichte und Buche kommen zum Einsatz. Die Blätter werden nicht im Ganzen aus dem Stamm gefräst, sondern zunächst einmal in Streifen geschnitten. Holz arbeitet bekanntlich, und ein noch so sauber bearbeiteter Vollholzpropeller würde durch Witterungseinflüsse bedingt schnell sein sorgfältig errechnetes Design verlieren.
Verleimt: Holzpropeller sind oft aus mehreren Schichten zusammengesetzt, die verklebt werden.
Festigkeit bringt ein Fremdkörper: Aerodux, ein Zweikomponentenleim, der unter großem Druck tief in die Poren gepresst wird und sich dort verästelt. Anders als beim oberflächlichen Kleben ergibt sich daraus nach dem Aushärten eine mechanische Verbindung. Der Leim wird hart wie Stahl und hält wie eine Verschraubung, bleibt aber dennoch so flexibel, dass er Risse und Brüche weitestgehend verhindert und außerdem einen komfortablen vibrationsarmen Lauf fördert.
Die Blattvorderkante innen mit einem PU-Streifen, außen sogar mit einer aufgeklebten Metallkante versehen. Zudem verhindern Polyurethanlacke oder Beschichtungen aus Fiberglas, dass Feuchtigkeit, Erosion und UV-Strahlen das Material frühzeitig altern lassen. Beschädigungen der Oberfläche sollten umgehend beseitigt werden, damit der Holzkern geschützt bleibt.
Aufgrund der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten von Metall und Holz kann sich ein feiner Riss entlang des Kantenbeschlags bilden. Das sollte vom Fachmann begutachtet werden, um sicherzustellen, dass sich nicht die Verklebung löst und der Propeller damit nicht mehr lufttüchtig wäre.
Bereits ein abgeplatzes Reparaturstück kann eine Unwucht erzeugen
Auch wenn sich kleine Schäden wie Kratzer und Kerben relativ leicht mit Epoxyd-Harz und Polyurethanlack beseitigen lassen, sollte man immer einen Luftfahrttechnischen Betrieb zu Rate ziehen. Propeller sind vom Hersteller sehr sorgfältig ausgewuchtet, und schon ein abgeplatztes Reparaturstück kann eine Unwucht erzeugen, die nicht nur Ihr fliegerisches Vergnügen reduzieren könnte, sondern auch die Lebensdauer des Triebwerks.
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Vor allem Propeller mit größerem Durchmesser werden bevorzugt aus Metall gefertigt. Die stecken den einen oder anderen Kratzer besser weg und bekommen bei längerer Einsatzzeit sogar Kerben an ihrer Vorderkante. Aluminium zu bearbeiten erfordert fachmännisches Können. Das Material kann geschliffen und geglättet werden. Bei einer Überholung wird sogar ein Teil der Vorderkante abgetragen und neu geformt – das geht nur so lange, bis ein vom Hersteller vorgegebenes Mindestmaß unterschritten wird.
Bei größeren Reparaturarbeiter muss der Flugzeug-Propeller neu ausgewuchtet werden
Deutliche Kerben, Furchen oder Kratzer, die bei der Vorflugkontrolle festgestellt werden, müssen stets fachmännisch beurteilt und gegebenenfalls beseitigt werden. Innerhalb eines definierten Reparaturlimits kann das vom Wartungsbetrieb vor Ort mit Schleifmaschinen, Schmirgelpapier, Scotch-Brite-Schwämmchen und Poliertuch erledigt werden. Anschließend werden eine chemische Grundierung und ein Schutzlack gegen Korrosion aufgetragen.
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Nach großflächigen Eingriffen muss der Propeller neu ausgewuchtet werden, was dann stets beim Hersteller oder einem lizenzierten Fachbetrieb vorgenommen werden muss. Übrigens reicht schon ein Flug in stäkerem Regen, um den Lack an der Vorderkante abzutragen – die Kärfte sind beachtlich.
Structural-Composite-Propeller haben einen Kern aus Kunststoff
Die Alternative zum »Natural Composite« sind Structural-Composite-Propeller. Sie haben einen Kern aus Kunststoff, oft in Schaumform, sowie eine Außenhülle aus Kunststoffgewebe, heute oft CfK. Ihr Name rührt daher, dass die äußere Composite-Schicht eine strukturelle Funktion hat, also für die Festigkeit verantwortlich ist.
Mehrere Vorteile kennzeichnen diese Propeller: Sie sind sehr leicht, sparen also vorne am Flugzeug Gewicht. Außerdem lassen sich mit dem Material Formen erreichen, die große aerodynamische Vorteile bringen. Ein Beispiel sind die fast schon paddelförmig breiten Blätter der Turbo-Cirrus.
Eine Reparatur von Schäden im Composite ist von Fachleuten relativ einfach zu erledigen, wenn bestimmte Grenzen nicht überschritten werden. Die Vorderkante auch dieser Materialien wird mit einem Metallstreifen geschützt.
Ganz wichtig: Flugzeug-Propeller nicht anfassen
Als Festpropeller ist die Anbringung des Blatts an der Nabe relativ simpel. Es gibt sogar Holzpropeller, die durchgehende Blätter haben. Bei einem Verstellpropeller dagegen endet jedes Blatt in einer Wurzel, die in der Mechanik der Blattverstellung befestigt wird. Aus welchem Material das Propellerblatt gefertigt wird, ist dafür allerdings weitgehend unerheblich.
Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit hat das technische Wunderwerk, das so despektierlich als Quirl bezeichnet wird, also sehr wohl verdient. Und vor allem: Nicht anfassen!
Text: Helmuth Lage