(Quelle: aero.de)
WASHINGTON – Die nach einem aufsehenerregenden Zwischenfall stillgelegten 737 MAX 9 werden bald wieder in die Luft steigen dürfen. Die US-Luftfahrtbehörde genehmigte am Mittwochabend (Ortszeit) das Verfahren für die von ihr angeordneten Inspektionen der Maschinen – verbietet Boeing vorerst aber jeden Produktionsbau.
Nach Angaben betroffener Airlines dauert eine solche Prüfung mehrere Stunden pro Flugzeug.
Bei einer so gut wie neuen Boeing 737 MAX 9 von Alaska Airlines mit mehr als 170 Menschen an Bord war am 5. Januar kurz nach dem Start im Steigflug ein Rumpfteil herausgebrochen. An der Stelle haben manche Konfigurationen des Typs mit mehr Sitzen eine Tür.
Die betroffene Variante der 737 MAX 9 hat jedoch stattdessen eine Abdeckung, die die Öffnung verschließt. Die FAA und andere Behörden ordneten an, alle rund 170 ähnlichen Flugzeuge des Typs für Untersuchungen am Boden zu lassen. Bei dem Zwischenfall wurde niemand ernsthaft verletzt – durch einen glücklichen Zufall waren allerdings die beiden Plätze direkt an der Öffnung leer geblieben.
Die FAA wies nun speziell an, Befestigungselemente zu prüfen und bei Bedarf festzuziehen. Alaska und United Airlines hatten auch bei weiteren Maschinen des Typs an dieser Stelle lose Befestigungsteile entdeckt. Fluggesellschaften aus der EU haben keine Flugzeuge des betroffenen Modells.
FAA verbietet Boeing höhere Raten
Der Zwischenfall hat nun größere Konsequenzen für Boeing. Die FAA kündigte an, dass sie vorerst keinen weiteren Ausbau der Produktion von allen Modellen der 737 MAX genehmigen werde.
Boeing stellte bei einer eigentlichen Zielrate von 38 Flugzeugen zuletzt im Schnitt zwischen 31 und 32 737 MAX pro Monat her.
In diesem Jahr sollte die Monatsrate nach Medieninformationen zunächst auf 42 und in einem weiteren Schritt auf 47 Flugzeuge angehoben werden. Für Ende 2025 hatte Boeing die Zulieferkette auf eine Produktion von monatlich 58 737 MAX eingestellt.
Für Boeing ist der Ausbaustopp ein Problem. Der Hersteller braucht die höheren Stückzahlen eigentlich dringend. Der Rückstand auf Airbus ist bereits enorm.
Der europäische Konkurrent kommt nicht nur in seinem Brot-und-Butter-Programm A320neo mit dem Hochlauf voran. Gegen Ende 2024 / Anfang 2025 will Airbus die A32Xneo-Produktion auf 65 Flugzeuge pro Monat einspielen. Das Management peilt ab 2026 gar eine 75er-Rate an. Parallel baut Airbus die A220-Produktion auf 14 Monatseinheiten aus.
Boeings Probleme in der Qualitätskontrolle seien „inakzeptabel“, betonte FAA-Chef Mike Whitaker. Nun will die FAA die Produktion der 737 MAX gründlich unter die Lupe nehmen.
Insider erheben schwere Vorwürfe
Unterdessen berichtet die „Seattle Times“ über konkrete Fehler in der 737 MAX-Endmontage in Renton. An der betroffenen 737 MAX 9 von Alaska Airlines sei die von Spirit Aerosystems vormontierte Türblende von Boeing ausgebaut und später fehlerhaft wieder eingesetzt worden, berichtete ein Insider dem Blatt.
Die „Seattle Times“ greift zudem einen weiteren Insiderbericht auf, nach dem Boeing-Mitarbeiter die nicht erfolgte Wiedermontage von vier Sicherungsbolzen an der Türblende vor der Auslieferung sogar in der Dokumentation vermerkt haben sollen. „Die Ursache für den Verlust dieser Tür geht aus den Protokollen von Boeing schwarz auf weiß hervor“, schrieb dieser Insider.
Die US-Flugunfallbehörde NTSB kündigte an, den gesamten Produktionsverlauf der 737 MAX 9 von Alaska AIrline „entlang einer Zeitachse“ zu rekonstruieren. Die Ermittler wollen dafür ab Freitag alle Produktionsunterlagen von Boeing zu dem Flugzeug vor Ort in Renton einsehen.
Boeing-Aktien starteten am Donnerstag mit einem Abschlag von rund drei Prozent in den Handel.
© dpa-AFX, aero.de Abb.: NTSB