(Quelle: aero.de)
KASAN – Russland will in Kasan die Produktion der Tupolew Tu-214 hochfahren. Es geht um über 100 neue Tu-214 für russische Airlines in den kommenden Jahren. Doch die gibt es vorerst weiter nur mit Dreimann-Cockpit – Aeroflot muss auf die effizientere Zweimann-Version warten. Und das ist nicht das einzige Problem.
Anderthalb Tupolew Tu-214 entstanden bis jetzt durchschnittlich im Flugzeugwerk von Kasan – pro Jahr. Die homöopathische Rate reichte aus, um die Bedürfnisse des einzigen Kunden für den Zweistrahler zu befriedigen. Denn bis auf die russische Luftwaffe wollte in den letzten Jahren niemand etwas von der Tu-214 wissen.
Das als Airliner gestartete Derivat der (gleichsam erfolglosen) Tu-204 fristete ein Schattendasein, blieb in Gestalt diverser Spezialversionen aber doch dauerhaft im Bau. Und da die Luftwaffe ausdrücklich danach verlangte, rollen neue Tu-214 bis heute ausnahmslos mit Cockpits aus der Halle, in denen drei Mann zu Werke gehen – und nicht, wie ansonsten längst üblich, nur zwei.
Seit dem 24. Februar 2022 aber hat sich (nicht nur) in Kasan die Lage radikal verändert. Im Angesicht westlicher Sanktionen sind Flugzeuge russischer Bauart für russische Airlines plötzlich zwangsläufig wieder stark gefragt. Ein Regierungsprogramm sieht den Bau von fast 1.100 neuen Airlinern bis Ende 2030 vor – und auch Kasans Tu-214 spielen in den Plänen eine starke Rolle.
Von dem technisch angestaubten Jet sollen 115 Exemplare für den Passagierbetrieb entstehen, zusätzlich zu den ohnehin bestellten Spezialmaschinen für die Luftwaffe. Bis jetzt sind Verträge für elf zu bauende Tu-214 festgezurrt, allesamt bestimmt für Flag Carrier Aeroflot.
Der russische Staat und die Regierung der Republik Tatarstan, zu der Kasan gehört, investieren massiv in die Modernisierung der Produktion. Künftig sollen neue Anlagen eine echte Serienfertigung nach zeitgemäßen Standards möglich machen. Ziel sind zunächst zehn Tu-214 pro Jahr ab 2025 und schließlich 20 ab 2027.
Mit überdurchschnittlichen Löhnen, günstigem Wohnraum und weiteren Maßnahmen will man zudem die dafür notwendige Personaldecke zusammensammeln.
Neue Flieger, altes Cockpit
Dass diese Pläne mit heißer Nadel gestrickt sind – und Verzögerungen beinahe unausweichlich scheinen -, weiß man auch in Kasan. Dennoch hat Juri Sljusar, Chef der russischen Flugzeugbau-Holding UAC, bereits die „nächste Generation“ der Tu-214 angekündigt. Die soll, so weit es geht, den Staub von dem Entwurf pusten – vor allem in Gestalt eines modernen Zweimann-Cockpits.
Jenes hatte Aeroflot-Chef Sergej Alexandrowski bereits Anfang 2023 vehement gefordert. Kommen wird es allerdings erst 2026 – frühestens. Denn, so heißt es aus Kasan, zwar habe es vor knapp anderthalb Jahrzehnten mit der Tu-204SM bereits eine für zwei Piloten ausgelegte Variante der Jet-Familie gegeben.
Deren Ausrüstung sei allerdings veraltet, weshalb sie erst entsprechend aktualisiert werden müsse. Die ersten Tu-214 für Aeroflot dürften demnach mit Drei-Personen-Cockpit ausgeliefert werden.
© FLUG REVUE – Patrick Zwerger 26.12.2023 07:32