(Quelle: aero-kurier.de)
Vorweg: In den nachstehenden Zeilen geht es primär um die gelebte Praxis und Vernunft, die gesetzlichen Vorgaben und Regularien sollen dennoch nicht zu kurz kommen. Auf dem Vorfeld oder in der Fliegerkneipe ist oft zu hören: „Wenn du diese Maschine fliegen kannst, dann kannst du auch alle anderen fliegen.“ Manch ein Pilot glaubt das. Und so sind Defizite in der Selbsteinschätzung, allgemeine Fehleinschätzungen sowie gar keine oder schlampige Einweisungen leider allzu oft Ursache für katastrophale Ereignisse.
Als Vielflieger, Viel-Typen-Flieger, Fluglehrer und Prüfer erlebe ich täglich den aktuellen Leistungsstand von Piloten. Ein pauschales Urteil über die ideale Einweisung auf einen neuen Typ lässt sich aus meiner Sicht nicht formulieren. Fest steht aber, dass es trotz jahrelanger Erfahrung auf einem Muster selbst beim Umstieg auf eine baugleiche Maschine durchaus sinnvoll ist, sich in die Besonderheiten dieses Flugzeuges am Boden und in der Luft einweisen zu lassen. Kenntnisse über vermeintliche Kleinigkeiten wie eine anders funktionierende Sitzverriegelung oder individuelle Anlassverfahren können schon sehr hilfreich sein, um einem Malheur vorzubeugen.
Die nächste Stufe ist das Vertrautmachen mit einem neuen Muster innerhalb der Klassenberechtigung. So zum Beispiel beim Umstieg von einer Cessna 172 auf eine Piper PA-28, auch ohne Verstellpropeller oder Glascockpit. Nach den von der EASA in regelmäßigen Abständen erneuerten Type Ratings and Licence Endorsement Lists lässt sich gerade im Bereich der einmotorigen kolbenbetriebenen Flugzeuge nur die Unterschiedsschulung (Differential Training) für Glascockpit, Verstellpropeller oder Spornrad und Ähnliches finden.
Ausreichend Zeit einplanen
Eine von mir gern bei Auffrischungsschulungen für Fluglehrer gestellte Frage lautet: Wie viel Zeit planen Sie ein für die Umschulung eines Lizenzinhabers, der bislang nur Robin DR400 geflogen ist, um ihn auf eine Cessna 172 einzuweisen? Die Antworten variieren von drei Platzrunden bis zu mehreren Stunden. Zur Erinnerung: Vor EASA waren es schon mal fünf Stunden für das zweite Muster im Rahmen der Lizenzausbildung. Flüge mit voller Beladung, Ziellandeübungen, Notverfahren usw. erfordern diese Anzahl von Flugstunden eigentlich auch heute noch, von Landungen mit Seitenwind ganz zu schweigen.
Hier setzt die verantwortungsvolle Rolle von Fluglehrer oder Class Rating Instructor ein. Sie sind gefordert, den aktuellen Leistungsstand mit den Anforderungen für eine gewissenhafte Unterschiedsschulung bzw. ein Vertrautmachen in Einklang zu bringen. Dabei könnte dann beispielsweise auffallen, dass Glascockpit, Verstellpropeller etc. einen Zusatzeintrag ins Flugbuch erfordern. Bedenken wir: Fluglehrer sind keine göttlichen Wesen. Und sie sollten natürlich selbst mit dem jeweiligen Muster bestens vertraut sein. Eine gesunde Selbsteinschätzung sollte Voraussetzung sein. Lassen Sie sich ruhig mal das Flugbuch zeigen, um zu sehen, wann zuletzt und wie oft überhaupt der Lehrer selbst auf dem Muster geflogen ist.
Neues Flugzeug? Nicht ohne Checkout!
Sich ein neues Flugzeug zu kaufen und einfach loszufliegen ist nur in seltenen Ausnahmefällen akzeptabel. Im Interesse der Flugsicherheit sollte man sich immer einweisen lassen. Es darf keinen Zwang geben, ein Flugzeug unbedingt „noch heute“ nach Hause fliegen zu müssen, wenn gerade keine Person für eine ordentliche Einweisung greifbar ist. Im Schadensfall möchte ich nicht nach der Meinung der Versicherung fragen, wenn der FI oder CRI mit dem Muster selbst noch nie geflogen ist. In diesem Zusammenhang ist es dringend erforderlich, vor dem Start schriftlich die Rolle des verantwortlichen Luftfahrzeugführers zu definieren.
Warnen möchte ich generell vor Meinungen und Empfehlungen in Foren und von Gruppen in sozialen Medien. Sie sind kein Garant oder Ersatz für qualifizierte Aussagen eines typerfahrenen Fluglehrers.
Eine gute Einweisung auf ein neues Muster beginnt mit dem Studium des Flughandbuchs. Markieren Sie Unklarheiten und berechnen Sie Start- und Landerollstrecken mit unterschiedlichen Szenarien. Gut vorbereitet wird ein Lehr- oder Einweisungsberechtigter womöglich davon etwas abfragen, bevor es ins Cockpit geht. Denn: Ein gewissenhafter Außencheck beginnt im Cockpit. Zündschalter, Spritzufuhr und Leistungshebel sollten dabei alle „off“ sein. Der erste Außencheck einer für Sie neuen Maschine sollte mindestens so lange dauern wie der erste Check als Flugschüler.
Evakuierungsszenarien und Checklisten
Ein anschließendes Cockpittraining mit Evakuierungsszenarien sollte Standard sein. So kann es beispielsweise bei einer Cessna 172 neueren Baujahrs überlebenswichtig sein, dass die Passagiere vor dem Piloten das Cockpit auf dessen Anweisung verlassen. Wenn der Pilotensitz erst mal nach hinten geschoben ist, kommt kein Passagier mehr an den Entriegelungshebel.
Checklisten sind gemäß Flughandbuch anzuwenden. Selbst gebaute, nicht mit dem POH übereinstimmende Checklisten sollten nicht verwendet werden. Nach der Boden- und Cockpiteinweisung ist ein Flug zum Vertrautmachen von etwa 45 bis 60 Minuten sinnvoll, um bei Themen wie Luftraumbeobachtung, einfachem „Airwork“, Langsamflug und simuliertem Durchstartmanöver in Reiseflughöhe eine erste Sicherheit zu schaffen. Im Anschluss sollten Landeanflüge angegangen werden. Vom typischen Touch-and-Go zu Anfang halte ich nichts. Die Spurtreue eines Flugzeugs erweist sich erst in der Ausrollphase. Außerdem sorgt ein Zurückrollen für einen geringeren Stresslevel im Cockpit. Je nach Leistungsstand und Kondition ist es mehr als sinnvoll, an mehreren Tagen bei unterschiedlichen Wetterbedingungen auf verschiedenen Plätzen Seitenwind-, Gras- und Asphaltlandungen zu üben. Dabei sollten simulierte Notlandemanöver aus 1000 und 2000 Fuß Höhe mit Lehrer und unter dessen Aufsicht (mit Handfunkgerät am Boden) durchgeführt werden.
Das Flugzeug erfliegen
Man merkt schon: Leicht kommen bei den soeben beschriebenen Verfahren drei bis fünf Flugstunden zusammen. In Bezug auf Ihre künftige Sicherheit mit dem neuen Fluggerät ist das eine gute Investition. Nicht selten gab es schon Zwischenfälle, bei denen Flugzeuge direkt nach dem Kauf mangels Kraftstoff ihr Ziel nicht erreicht haben. Daher gilt es immer, die Verbrauchswerte selbst zu erfliegen und den Tankinhalt auf Plausibilität zu überprüfen. Bitte hören Sie nicht auf den Vorbesitzer, denn seine tatsächlich eingestellten Leistungsparameter kennen Sie nicht. Prominentes Opfer einer „Selbsteinweisung“ war der Country-Sänger John Denver. Als er im Flug auf den Reservetank umschalten wollte, konnte er diesen nicht erreichen, da der Schalter hinter ihm angebracht war. Ein Bodentraining hätte das verhindert.
Mir fallen viele Unfälle ein, die in Zusammenhang mit mangelhaft durchgeführten Einweisungen stehen. Die Selbstüberschätzung des Piloten und manchmal auch des Fluglehrers spielten dabei meist eine große Rolle. Ein Fluglehrer sollte das Rückgrat besitzen, klar zu sagen, dass er selbst erst einmal eine Einweisung benötigt oder sich selbst erst einmal (alleine!) mit dem Luftfahrzeug vertraut machen muss. Sehr kritisch ist dabei die Kombination „wenig erfahrener Pilot“ plus „befreundeter Fluglehrer“, der Ersterem vielleicht nur nach dem Mund redet. Die Angst vor dem möglichen Aufdecken genereller Defizite führt oft zum bequemen Weg des „Fluglehrerfreunds“. Monetäre Gründe sind zuweilen auch ein Faktor. Werden für das Luftfahrzeug ordentliche Summen bezahlt, bekommen Fluglehrer oft einen geringeren Stundenlohn als ein Hundetrainer. Und selbst das kleine Salär für einen Fluglehrer möchte sich mancher Neuflugzeugbesitzer noch sparen.
Standardisierung nur noch auf Papier
Vor Jahren war es in vielen Vereinen, Flugschulen und gewerblichen Vercharterungsunternehmen noch Usus, sich Zeit für die Einweisung auf ein neues Muster zu nehmen. Leider sieht die Realität heute oft anders aus. Eine Standardisierung ist zwar auf dem Papier vorhanden, wird aber leider nicht mehr praktiziert. Ich habe unlängst erlebt, dass sich ein Segelflieger kurz nach der Prüfung selbstständig ein für ihn neues Muster aus dem Hänger geholt und montiert hat und dann losgeflogen ist. Erst im Windenstart bemerkte er, dass die Ruder nicht ordnungsgemäß funktionierten. Mit großem Glück gelang ihm die anschließende Landung. Die Ursache: Ihm hatte niemand gesagt, dass dieses Segelflugzeug noch keine automatischen Ruderanschlüsse hatte. Ein Einzelfall? Ich denke nicht. Es braucht Zeit und eine gute Selbsteinschätzung für die Einweisung auf ein neues Luftfahrzeug – egal wie der Trainingsstand ist.
Selbsteinweisung – eine Option?
Vor einem kompletten Sich-selbst-Vertrautmachen mit einem neuen Muster rate ich generell ab. So können konstruktionsbedingte Unterschiede gravierend anderes und ungewohntes Flugverhalten mit sich bringen. Wer zum Beispiel das erste Mal ein Pendelhöhenruder fliegt, wird sich über dessen Sensibilität gegenüber einem gedämpften Höhenruder erschrecken. Auch der erste Start mit einem hoch über dem Propellerstrahl liegenden T-Leitwerk verhält sich ungewohnt. Die Effekte eines andersherum drehenden Propellers können ebenso für Verwirrung sorgen. Gerade bei leichten Luftsportgeräten, die heute oft mit einem PS-starken Motor ausgerüstet sind, ändert sich das Flugverhalten immens. Selten oder gar nicht gibt das Flughandbuch darüber Auskunft. Für den Start einer Breezer Sport gibt das Handbuch beispielsweise lediglich Vollgas vor. Wenn man das so macht, ist die maximale Geschwindigkeit für das Einfahren des Fahrwerks binnen weniger Sekunden bereits überschritten. Es bleiben dann nur wenige Augenblicke für notwendige Handlungen, um nicht in eine gefährliche Lage zu kommen. Auch hier beugt natürlich die gewissenhafte Einweisung durch einen erfahrenen Fluglehrer vor. Weniger Leistung, bewusste Geschwindigkeitskontrolle und ein ausgewogenes Powersetting für die Anfangsausbildung helfen, das Fluggerät gut kennenzulernen.