(Quelle: aero-kurier.de)
Die Kategorie der Bodeneffekt-Geräte hat einige der kuriosesten Konstruktionen der Technikgeschichte hervorgebracht. Dabei handelt es sich nicht um Flugzeuge im eigentlichen Sinn, denn die Maschinen gleiten im Wesentlichen wenige Meter über der Oberfläche auf dem Luftkissen zwischen Boden und Tragfläche – naturgemäß meist über Wasser. Vor allem in der Sowjetunion hatten die dort Ekranoplans genannten Fluggeräte in den 60er- und 70er-Jahren eine recht hohe Bedeutung. Hier entstanden gleich mehrere Typen bis hin zum riesigen „Kaspischen Seemonster“ mit seiner Länge von fast 100 Metern und seinem aus zehn Strahltriebwerken bestehenden Antrieb. In den letzten Jahrzehnten ist es allgemein etwas stiller um das Thema geworden. Das soll sich nun ändern, und zwar in ganz anderen Bahnen als bei den sowjetischen Riesen von damals. Das US-amerikanische Start-up REGENT Craft aus Rhode Island will mit seinem Seaglider klimaneutrale Verbindungen von Küstenstädten ermöglichen – mit der Geschwindigkeit eines Flugzeugs zu den Kosten eines Bootes. Der Name steht für Regional Electric Ground Effect Nautical Transport.
Partnerschaft mit Japan Airlines
Ein erster kommerzieller Einsatz könnte in Japan erfolgen. Zu diesem Zweck haben Japan Airlines und REGENT Craft ein umfassendes Partnerschaftsabkommen über den Aufbau eines entsprechenden Netzwerks geschlossen. In dessen Rahmen will man gemeinsam die nötigen Zulassungs- und Infrastrukturfragen angehen sowie im Jahr 2025 einen Demonstrationsflug in der Region durchführen. Zusätzlich tritt die JAL-Tochter JALUX als Verkaufsagent für die Maschine auf. Die Airline hatte in diesem Jahr bereits über ihren Innovationsfonds ein Investment in das Projekt getätigt.
Mit 300 km/h über das Wasser
Die erste Seaglider-Ausführung trägt den Namen Viceroy und bietet Platz für zwölf Passagiere beziehungsweise 1.600 Kilogramm Fracht. Der Antrieb besteht aus bis zu zwölf Elektromotoren mit einer Leistung von jeweils 120 Kilowatt, nähere Details dazu sind noch nicht bekannt. Mit den aktuell verfügbaren Batterien soll die Viceroy bei einer Reisegeschwindigkeit von 300 km/h eine Reichweite von 300 Kilometern besitzen, die sich mit einem Upgrade auf die nächste Energiespeicher-Generation auf mehr als 700 Kilometer erhöhten könnte. Erste Tests sind für kommendes Jahr geplant, nachdem bereits Versuche mit einem maßstäblich verkleinerten, unbemannten Modell erfolgt waren. Der Technologie-Demonstrator hob am 15. August 2022 in der Bucht von Narragansett in Rhode Island zum ersten Mal ab. Die geplante Serienversion wird deutlich größer: Die maximale Startmasse der 17,56 Meter langen und 19,81 Meter breiten Viceroy liegt bei 6.976 Kilogramm. Mit der unter dem Bootsrumpf angebrachten Hydrofoil und der digitalen Fly-by-Wire-Steuerung hofft REGENT, die für Bodeneffektgeräte typischen Probleme wie mangelnde Toleranz gegenüber höherem Wellengang oder der wenig präzisen Navigation im Hafengebiet beheben zu können.
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Bis zu 100 Passagiere
Dabei kann das erst 2020 gegründete Unternehmen durchaus auf Erfahrungen im Luft- und Raumfahrtbereich zurückgreifen, da das Management unter anderem aus ehemaligen Mitarbeitern der Boeing-Tochter Aurora Flight Sciences besteht. Die erste Viceroy soll 2025 in den USA ausgeliefert werden. Eine Zulassung durch die Luftfahrtbehörden ist nicht notwendig, da der Seaglider rechtlich als maritimes Gefährt zählt. Gleichzeitig arbeitet man an einer größeren Ausführung – der Monarch für 50 bis 100 Passagiere – und vermarktet auch Versionen für Rettungs- und Militäreinsätze.