(Quelle: flugrevue.de)

Mit viel Tamtam feierte Italiens Diktator Benito Mussolini den Erfolg der Campini-Caproni C.C.2. Die Maschine galt bis zum Bekanntwerden des Erfolges der Heinkel He 178 als erstes Düsenflugzeug der Welt. Italiens Regime hatte die Entwicklung trotz vieler Verspätungen massiv gefördert. Der ungewöhnliche Entwurf ging auf die Ideen von Secondo Campini zurück. Der in Bologna geborene Ingenieur hatte sich schon früh mit Antriebstechniken beschäftigt und meldete bereits am 20. Januar 1931 ein Patent für einen Strahlantrieb an. Dabei ging er von der Idee aus, angesaugte Luft mechanisch zu verdichten. Die resultierende Erwärmung und anschließende Ausdehnung sorgt für einen Rückstoß und damit für Schub. Allerdings setzte er zur Verdichtung unter anderem mangels geeigneter Werkstoffe auf Kolbenmotoren und nicht auf Turbinen – was sich als Sackgasse erweisen sollte.

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Erst Boote, dann Flugzeuge

Noch im Jahr 1931 gründete Campini mit VENAR eine eigene Firma (Velivoli e Natanti a Reazione, strahlgetriebene Flugzeuge und Boote). Der erste Auftrag kam im Mai 1931 von der italienischen Marine, für die Campini einen entsprechenden Bootsantrieb bauen sollte. Da er nicht über eine eigene Werkstatt verfügte, suchte er sich einen Partner und fand ihn in dem Unternehmen Costruzioni Mecchaniche Riva. Das Boot wurde von einem Flugmotor Isotta Fraschini Asso 200 angetrieben, bei dem aus zwei jeweils seitlich über der Wasseroberfläche am Bootskörper befestigten Düsen unter Hochdruck Wasser ausströmte. Bei Tests in Venedig erreichte das Boot eine Geschwindigkeit von 28 Knoten. Ein Folgeauftrag blieb jedoch aus.

Hilfe von Caproni

Mehr Glück hatte Campini im Luftfahrtbereich. Er hatte seine Antriebsidee auch dem italienischen Luftfahrtministerium vorgeschlagen. Die Luftstreitkräfte hofften auf ein schnelles Flugzeug, das in große Höhen vorstoßen konnte, und erteilten am 5. Februar 1934 den Auftrag zum Bau eines Testrumpfs und zweier kompletter Flugzeuge. Diese sollten für die damals stattliche Summe von 4,5 Millionen Lire bis Ende 1936 fertiggestellt werden. Auch hier musste sich der Ingenieur Hilfe suchen, und er tat sich mit dem Flugzeugbauer Gianni Caproni zusammen. Schon bald begannen die Arbeiten bei Aeroplani Caproni in Taliedo bei Mailand in der Nähe des heutigen Flughafens Linate. Windkanalversuche mit Modellen halfen bei der endgültigen Festlegung des Entwurfs.

Zwölf Zylinder statt Turbine

Abgesehen vom exotischen Antriebskonzept entschieden sich Campini und Caproni für eine recht konventionelle Auslegung. Der wie die Tragflächen aus Metall bestehende Rumpf besaß eine röhrenartige Formund einen Lufteinlauf am Bug von 0,84 Metern Durchmesser. Der Pilot und ein Beobachter waren hintereinander untergebracht. Als Motor forderte Campini von der Regia Aeronautica einen Zwölfzylinder des Typs Isotta Fraschini Asso XIR, der sich zu diesem Zeitpunkt erst in der Erprobung befand. Daher musste er sich mit einem Asso 750R mit 18 Zylindern begnügen. Die ersten Experimente mit dem Testrumpf lieferten allerdings keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Auch die Konstruktion der Flugzeuge nahm mehr Zeit in Anspruch als vorgesehen. Der Terminplan war nicht zu halten, und gleichzeitig überstiegen die Kosten das vorgesehene Budget. Campini musste daher die Regierung um eine Verlängerung der Frist und um zusätzliche Geldmittel bitten. Tatsächlich bekam er 16 Prozent mehr Geld und zwei Jahre mehr Zeit.

Premiere für den Nachbrenner

Im Oktober 1937 überarbeitete er den Entwurf, indem er den Rumpf etwas verlängerte und den Lufteinlauf auf 0,72 Meter verkleinerte. Als Motor kam nun ein Asso L121 mit einem großen, kreisförmigen Kühler zum Einsatz, der einen drei- statt zweistufigen Verdichter antrieb. Dieser ähnelte im weitesten Sinne drei hintereinander geschalteten Luftschrauben mit jeweils zwölf Schaufeln, ihre maximale Drehzahl betrug 18000 Umdrehungen pro Minute. Dazwischen waren Leitschaufeln angeordnet. Der von Motorabgasen erhitzte Luftstrom wurde unter der Kabine zur Schubdüse geführt, in der sich ein geschossförmiger Kegel befand. Dieser ließ sich hydraulisch nach vorne oder hinten verschieben, um den Querschnitt der Düse zu verändern. Bei kleinstem Durchmesser erzielte das System den maximalen Schub von rund 7,4 Kilonewton. Ein Teil der Luft floss vorher in eine doppelwandige Struktur zur Kühlung des hinteren Rumpfes. Als erstes Flugzeug besaß die C.C.2 einen Nachbrenner zur Schubsteigerung. Vor der Schubdüse befanden sich ringförmig angeordnete Brenner, die Kraftstoff einspritzten und entzündeten.

Neues Rekordflugzeug für Italien

Heinkel ist schneller

Durch die vielen Änderungen verdreifachte sich jedoch die Leermasse. Zudem reichte die Fristverlängerung nicht aus. Es dauerte noch bis Mitte 1940, bis die erste Campini flugbereit war. Daher wurde der Heinkel He 178 die Ehre zuteil, am 27. August 1939 den ersten jet-getriebenen Flug durchzuführen. Erst Ende Juni 1940 begannen dagegen die Bodenläufe des italienischen Flugzeugs. Schließlich ließ Caproni die zweite Maschine (Seriennummer 4850, spätere militärische Kennung MM.488) per Straßentransport nach Linate bringen. Dort führte Mario di Bernardi am 8. August 1940 erste Rollversuche durch. Der damals nicht nur in Italien berühmte Pilot hatte zuvor mehrere Geschwindigkeitsweltrekorde aufgestellt und die Schneider Trophy gewonnen. Am 27. August hob er schließlich zu einem zehnminütigen Flug ab, bei dem er eine Höhe von 700 Metern erreichte. Dabei offenbarte sich eine Buglastigkeit der C.C.2, die eine Änderung des Anstellwinkels des Höhenleitwerks notwendig machte. Der vertraglich vorgeschriebene offizielle Erstflug fand am 16. September 1940 statt. Danach kam es zu einer Zwangspause, da sich di Bernardi bei einem Sturz in seinem Hotel die Ferse gebrochen hatte und er der einzige Pilot für die Campini war.

Der “Motorjet” – ein Irrweg

Erst am 11. April 1941 konnte die Flugerprobung weitergehen, diesmal mit dem ersten Flugzeug (Seriennummer 4849, militärische Kennung MM.487). Das zweite Exemplar blieb zu Bodenversuchen in Mailand und flog insgesamt nur zwei Mal. Obwohl Motorprobleme immer wieder für Verzögerungen sorgten, sollte di Bernardi die Campini zum Flugtestzentrum in Guidonia bei Rom überführen. Nach einigen längeren Flügen zur Ermittlung des Treibstoffverbrauchs war es am 30. November 1941 so weit: Nach zwei Stunden und elf Minuten landete er in Guidonia. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 217,15 km/h, der Verbrauch 675 Liter. Diktator Mussolini schlachtete den Erfolg für seine Propaganda weidlich aus. Wenig erfolgreich verlief dagegen in der Realität die militärische Erprobung. Das Flugzeug mit dem auch “Motorjet” genannten Antrieb blieb die meiste Zeit am Boden. Bei einem Flug am 9. April 1942 überhitzte der Kühler, und di Bernardi musste notlanden, obwohl sich das linke Hauptfahrwerk nicht ausfahren ließ. Die Mechaniker konnten die Schäden der Bruchlandung aber innerhalb von zwei Monaten beheben, sodass di Bernardi am 10. Juni 1942 wieder starten konnte. Bei diesem Flug erreichte er die höchste bis dahin mit der Campini erzielte Geschwindigkeit von 292 km/h. Insgesamt waren die Flugleistungen aufgrund der geringen Antriebskraft mehr als enttäuschend. Der letzte von nur 22 Flügen fand am 27. August 1942 statt.

Heutiger Verbleib

Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurde die eingelagerte Maschine stark beschädigt. Mitte 1944 entdeckten alliierte Truppen das Wrack des Flugzeugs in Guidonia und brachten es zur Untersuchung ins britische Farnborough. Die Überreste endeten auf dem Schrottplatz. Die zweite Maschine überstand den Krieg in Mailand und ist heute im italienischen Luftwaffenmuseum in Vigna di Valle, Latium, zu besichtigen. Der Testrumpf existiert noch im Wissenschafts- und Technikmuseum in Mailand. Campini hatte viele weitere Entwürfe auf Lager, wie einen dreimotorigen Bomber oder einen Jäger, bei dem der deutsche DB605-Motor zum Einsatz kommen sollte. Sie blieben aber allesamt auf dem Reißbrett.

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