(Quelle: aero-kurier.de)
Rechnerisch zwölf gegnerische Flugzeuge, so erklärt es Ausbilder Jester Maverick und seinen Kameraden im Film „TOP GUN“, hätten US-Jäger im Koreakrieg abgeschossen, bevor ein eigener dem feindlichen Feuer zum Opfer fiel. Im Vietnamkrieg sahen diese Zahlen bedrohlich anders aus: Schon nach zweieinhalb Abschüssen wurden die eigenen Jäger nun vom Himmel geholt.
Diese Zahlen sind historisch korrekt, dabei flogen US-Piloten damals die modernsten Jets der Welt: überschallschnell, trägertauglich, mit zwei Triebwerken ausgestattet und vollgestopft mit Elektronik und Radargeräten mit großer Reichweite. Derartig kompliziert, dass man einen zweiten Mann an Bord brauchte, der nur Radar und Lenkwaffen bediente, den „Radar Intercept Officer“ (RIO). Doch diese auf großräumige Langstrecken-Abfangeinsätze über See und Luftkämpfe außerhalb des Sichtbereichs ausgelegten technischen Wunderwerke, wie die F-4 Phantom II, fanden sich über Vietnam plötzlich in ungewohntem Terrain wieder: im visuellen Kurvenkampf gegen östliche Leichtjäger wie die einstrahlige MiG-17, MiG-19 oder die frühe MiG-21. Diese kurbelten die schweren Zweistrahler mühelos aus und raubten ihnen im engen „Dogfight“ ihren entscheidenden Vorteil, den Kraftüberschuss.
Jäger ohne Bordkanonen
Erschwerend kam hinzu, dass die Amerikaner in der Annahme, künftige Luftkämpfe würden nur noch mit Lenkwaffen ausgetragen, bei allen Phantoms der Navy auf jegliche Rohrbewaffnung mit Bordkanonen verzichteten. Doch die als Ersatz gedachten frühen Lenkwaffen wie die AIM-7 Sparrow vertrugen die raue Behandlung auf Kriegsschiffen mit häufigen Trägerstarts- und -landungen und langem Parken in Hitze und Salzwassergischt nur schlecht. Anfangs traf nur ein Zehntel der verschossenen Raketen ihr Ziel, oft allerdings auch, weil sie zu nahe am Gegner abgefeuert wurden.
,
Admiral Tom Moorer von der US Navy beauftragte daraufhin im Sommer 1968 Captain Frank Ault, dem Chief of Naval Operations und Kommandanten des Flugzeugträgers USS Coral Sea, mit einer Studie über schnellstmögliche Verbesserungen. Im berühmten „Ault-Report“ listete der erfahrene Pilot und Veteran aus dem Zweiten Weltkrieg schonungslos 104 wunde Punkte auf. Von mangelnder Lieferqualität der Industrie über fehlende Prüfmöglichkeiten an Bord bis hin zum entscheidenden Punkt: Navy-Piloten, die ihre Lenkwaffen nicht im optimalen Bereich abfeuerten. Aults Fazit: Die Navy bräuchte eine eigene Übungseinrichtung, um ihren „Aviators“ die richtige Anwendung der Luft-Luft-Raketen beizubringen – die Idee für „Topgun“ war geboren.
Aufbau: as soon as possible
Ault erhielt den Auftrag, diese Schule sofort aufzubauen. Basis wurde die Naval Air Station Miramar bei San Diego, genannt „Fightertown“, wo sich beim Fighter Squadron 121 (VF-121) die F-4 Fleet Replacement Group als Trainingseinheit der Pazifikflotte befand. Neun Instruktoren für Piloten und RIOs bildeten die Keimzelle des in 60 Tagen aus dem Boden gestampften Verbandes. Er musste zunächst mit einer schäbigen Baracke vorliebnehmen, von deren Dach aber stolz ein Schild prangte: „VF-121, Fighter Weapons Course, TOPGUN“. Gegen interne Widerstände gelang es erst 1972, die offizielle Navy Fighter Weapons School als eigenständige Einheit zu etablieren. Ihr informeller Name „Topgun“ blieb haften. Die US Navy schrieb Topgun übrigens, im Gegensatz zum späteren Filmtitel, in einem Wort.
,
In zunächst zwei- bis vierwöchigen Kursen wurden die besten Fluglehrer und RIO-Ausbilder der Pazifikflotte nun in Trainingsduellen im Luftkampf gegen östliche Muster geschult – oft in direkter Vorbereitung auf Kampfeinsätze über Vietnam. Dabei spielte auch die damals streng geheime Evaluierung heimlich beschaffter sowjetischer Originalflugzeuge über Nevada eine wichtige Rolle, deren Leistungsvermögen und Schwachpunkte systematisch erflogen wurden. Eine Erkenntnis war, dass sich die stark motorisierten US-Jäger bei engem Kurvenkampf am besten durch steilen Steigflug aus der Affäre ziehen sollten, bis die mitsteigenden Verfolger hinter ihnen zuerst in die Tiefe abkippten, um dann den Spieß umzudrehen und nun selbst als Verfolger die Raketen aus passender Entfernung abfeuern zu können. Andere fest eingeübte Manöver hatten das Ziel, den toten Winkel unter dem breiten Lufteinlauf-Bug der MiGs für schnelle, unerwartete Richtungsänderungen auszunutzen. Vor allem aber versuchte Topgun bei den Gastpiloten und Gast-RIOs den Stress, die Angst und die Aufgeregtheit einer ersten Feindberührung vorwegzunehmen und durch hartes Training und gute Vorbereitung zu entschärfen.
Gütesiegel für Marineflieger
Topgun wurde allmählich zum Gütesiegel unter den Piloten der US Navy. Nur die allerbesten Fluglehrer und RIO-Ausbilder, ausgesiebt in mündlichen Prüfungen vor sogenannten „Murder Boards“, erhielten hier die vorgezogene künstliche Feuertaufe, um ihr Wissen anschließend innerhalb ihrer Heimatverbände weiterzugeben. Ein Erfolgsgeheimnis war die genaue Flugvermessung der Übungsluftkämpfe und deren anschließende Auswertung gemeinsam mit allen Trainingspartnern, wobei drillmäßig perfekt präsentiert werden musste. Diese Art des Debriefings wurde auch im Film „TOP GUN“ in einer Szene aufgegriffen, als Charlie Mavericks Trainingsflug analysiert und ihm Fehlverhalten vorwirft.
,
Um das Luftkampftraining noch realistischer zu gestalten, griff die US Navy tief in die Trickkiste und auf in US-Marinefliegerdiensten sonst unübliches Fluggerät zurück. So imitierte man mit der leichten Northrop F-5E die Manövriereigenschaften der sowjetischen Jäger, und später kam auch die für ihre überlegene Wendigkeit berühmte F-16C, Block 30 mit stärkerem F110-Triebwerk hinzu, beides reine Landflugzeuge. Letztere ließ man bei Topgun Anfang der 90er Jahre als F-16N sogar noch abspecken, um die „Viper“ noch giftiger zu machen. Ohne 20-mm-Bordkanone, schwere ECM-Störanlage, Freund-Feind-Erkennung und ohne Waffenaufhängungen, bis auf die an den beiden Flügelspitzen, kam der einstrahlige Jet sogar vollgetankt noch auf ein Schub-Gewichts-Verhältnis von über eins zu eins und schaffte nun ohne Nachbrenner Überschalltempo. Schon 1994 mussten alle F-16N aber wieder ausgesondert werden, nachdem sich wegen der außergewöhnlich harten Beanspruchung gefährliche Haarrisse in den Flügeln bildeten.
US-Jäger mit Sowjetstern
Auch äußerlich passten sich die Flugzeuge der Fighter Weapons School für die Feinddarstellung an mögliche Gegner an. So flogen die Trainer mit Tarnmustern von Kampfflugzeugen des Warschauer Paktes oder von China und in den Farben diverser afrikanischer und arabischer Staaten. Selbst rote Sterne als Hoheitszeichen, große Bordnummern im sowjetischen Stil und Gardeabzeichen gehörten zur Staffel-Folklore; sie reichten bis hin zu Namensschildern in kyrillischer Schrift und Pilotenschwingen mit nummerierter „Leistungsklasse“ nach sowjetischem Muster. Auch die Flugmanöver, die Einsatzführung und die elek-tronischen Abstrahlungen wurden, oft mit erbeuteter östlicher Originaltechnik, immer realistischer nachgestellt.
,
Bekanntlich verloren die USA den Vietnamkrieg insgesamt. Aber die Luftkampfbilanz hatte sich, auch dank Topgun, entscheidend verbessert. Zuletzt lag das Abschussverhältnis in Vietnam bei 13 zu 1. Ein Großteil der Navy-Abschüsse gelang Topgun-Absolventen.
Vermächtnis bis heute
Heute ist Topgun das Vorbild für zahlreiche Trainingseinheiten für die Feinddarstellung geworden – neben den Ma-
rines und der US Air Force bei weltweit vergleichbaren Einheiten. Selbst die Sowjetunion, Russland und China nutzten und nutzen Ausbildungsstaffeln, die US-Staffeln imitieren. Die Originalschule der US Navy nennt sich mittlerweile United States Navy Strike Fighter Tactics Instructor Program. Sie residiert seit 1996 in Fallon, Nevada, und damit dichter an den entlegenen Luftkampf-Übungsräumen über den Wüsten des amerikanischen Westens. Von Topgun ist hier heute nicht mehr die Rede.
,