(Quelle: aero-kurier.de)
Der Erste Absatz des Paragraphen 14 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) ist seit vielen Jahren ein Garant für eine sichere Umgebung von Flugplätzen, in der Risiken durch Bauwerke möglichst vermieden werden. Konkret heißt es hier:
Außerhalb des Bauschutzbereichs darf die für die Erteilung einer Baugenehmigung zuständige Behörde die Errichtung von Bauwerken, die eine Höhe von 100 Metern über der Erdoberfläche überschreiten, nur mit Zustimmung der Luftfahrtbehörden genehmigen.
Daraus ergibt sich, dass Landesluftfahrtbehörden bei allen entsprechenden Planungen beteiligt werden müssen. Sehen sie in einem entsprechenden Bauwerk wie einem Hochhaus, einem Sendemast oder einer Windkraftanlage ein Risiko für die Luftfahrt, können sie ein Veto einlegen. Dieses Veto ist nach bisheriger Rechtslage bindend.
Einfluss der Luftämter reduziert
Ginge es nach der Bayrischen Landesregierung, ist der große Einfluss der Luftfahrtbehörden bald Geschichte. Mit der Drucksache 108/24 schlägt der Freistaat eine Änderung des LuftVG vor. Demnach soll künftig die Einschätzung der Luftämter und Regierungspräsidien nur noch empfehlenden Charakter haben.
Konkret schlägt Bayern folgende Ergänzung des § 14 LuftVG vor:
Abweichend von Satz 1 entscheidet bei Vorhaben nach § 2 Satz 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die für die Erteilung einer Baugenehmigung zuständige Behörde auf Grund einer gutachtlichen Stellungnahme der Luftfahrtbehörden. Dabei ist das Interesse an der Nutzung der erneuerbaren Energien besonders zu gewichten und zu prüfen, wie die Abwicklung des Luftverkehrs zumutbar angepasst werden kann, ohne dass es zu Gefahren im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 führt.
Begründung: Mehr Standorte zugänglich machen
In der Begründung des von Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder unterzeichneten Vorschlags heißt es, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien eine zentrale Herausforderung sei, allerdings immer mehr geeignete und einfach zu realisierende Standorte an Land bereits bebaut seien. Die Eröffnung des Zugangs zu weiteren Standorten trete angesichts der für einen wirtschaftlichen Betrieb notwendigen Höhen neuer Windenergieanlagen von regelmäßig mehr als 100 Metern immer öfter in Konkurrenz zu Belangen des zivilen und militärischen Luftverkehrs.
Der Konflikt bestehe aus Sicht Bayerns darin, dass es nach dem Gesetz zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen, kurz WindBG, notwendig sei, für eine fristgebunde Ausweisung von Windenergieflächen diese mit den Belangen des Luftverkehrs neu in Ausgleich zu bringen, sodass geplante neue Windkraftanlagen nicht flächendeckend an einer fehlenden Zustimmung nach dem LuftVG scheitern.
Allerdings räume das LuftVG nach Einschätzung der Bayern bislang den Belangen des Luftverkehrs Vorrang ein, und die zuständigen Behörden der Länder dürfen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für praktisch alle wirtschaftlich zu betreibenden Windenergieanlagen – auf Grund deren Höhe von mehr als 100 Metern und unabhängig vom Standort – nur mit Zustimmung der Luftfahrtbehörden erteilen. Die fehlende Abwägemöglichkeit in diesem Verfahren stehe im Widerspruch zum überragenden öffentlichen Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien gemäß § 2 EEG 2023.
Aus diesem Grunde werde mit der beantragten Gesetzesänderung die zwangsweise einzuholende Zustimmung der durch eine entsprechende Stellungnahme der zivilen und militärischen Luftfahrtbehörden ersetzt, die im Rahmen der Abwägungsentscheidungen zu berücksichtigen ist.
Nachfrage in Bayern
Auf Nachfrage des aerokuriers, ob der Vorstoß mit dem für den Luftverkehr zuständigen Bundesverkehrsministerium abgestimmt sei, erklärte Simon Schmaußer, Ministerialrat und Leiter der Pressestelle des Bayrischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, dass die Länder eigene Bundesratsinitiativen starten könnten. Konkreter wurde er diesbezüglich nicht. Allerdings habe sein Haus den Antrag mit den beteiligten Ressorts und den mit der Luftfahrt befassten Experten eng abgestimmt. Auch mit den beiden Luftämtern stehe man in regem Austausch und binde auf diesem Weg die Flugsicherungsorganisationen ein, die dann über die Zustimmung nach §14 LuftVG entscheiden.
Auf die allgemeine Nachfrage zu den Hintergründen der Initiative bekräftigte Schmaußer die Argumentation aus dem schriftlichen Antrag. Demnach wolle Bayern den Ausbau der Windenergie durch mehr Flexibilität im Luftverkehrsgesetz des Bundes erleichtern. Mit der Änderung sollten zudem die teils langen Verfahrenszeiten der luftrechtlichen Stellungnahme verkürzt werden, die seitens der Kommunen beim Bau von Windrädern immer wieder kritisiert würden.
Schließlich seien die Stellungnahmen der Luftfahrtbehörden in der Entscheidung zur Genehmigung zu berücksichtigen. „Wenn das Interesse an der Nutzung der erneuerbaren Energien überwiegt, wäre zu prüfen, ob die Sicherheit des Luftverkehrs auch durch zumutbare Anpassungen bei der Abwicklung des zivilen oder militärischen Luftverkehrs gewährleistet werden kann“, so Schmaußer.
Wie geht es weiter?
Die Verbände der Allgemeinen Luftfahrt wurden nach ersten Erkenntnissen von der Bayerischen Landesregierung nicht vorab ins Verfahren einbezogen. Inwiefern der Gesetzesentwurf mit dem Bundesverteidigungsministerium bezüglich militärischer Belange abgestimmt war, ist aktuell noch unklar. Der aerokurier hat entsprechende Anfragen beim BMVg und der Bundeswehr gestellt. Außerdem haben wir die Verbände DAeC, AOPA, DULV und GBAA gebeten, eine Einschätzung zur geplanten Änderung des LuftVG abzugeben.
Der Antrag zur Änderung des LuftVG kann eine Zäsur für die Luftfahrt einläuten. Dass er ausgerechnet aus Bayern kommt, darf durchaus als Überraschung gewertet werden, denn bislang ist der Freistaat im Süden nicht unbedingt durch besonderes Engagement im Bereich Windenergie aufgefallen. Zudem hat das Land mit der 10H-Regel – auch nach deren Aufweichung – eine der restriktivsten Abstandsregelungen überhaupt und beschränkt sich so weitgehend selbst bei der Ausweisung neuer Windenergiegebiete.